- Fuchsbandwurm: Infektion und Verlauf der Echinokokkose
-
Der Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis) ist ein 1,5—3cm großer Parasit, der im Fuchs lebt und zur Vermehrung einen Zwischenwirt (hauptsächlich Mäuse) benötigt. Zusammen mit dem Kot scheidet der Fuchs auch die Bandwurmeier aus. Sie gelangen so auf den Waldboden und auf Waldbeeren und Pilze und werden schließlich von Mäusen mit der Nahrung aufgenommen. In deren Lebern entwickeln sich die Eier zu Finnen (den Larven des Bandwurms). Auch im Menschen können die Eier des Fuchsbandwurmes in der Leber zu Finnen heranreifen. Da das Lebergewebe schmerzunempfindlich ist, wird die Erkrankung meistens nicht wahrgenommen. Erst nach fünf bis fünfzehn Jahren, wenn die Leber zum größten Teil zerstört ist, weisen diffuse Schmerzen im Oberbauch auf die Krankheit (alveoläre Echinokokkose) hin. Deren Therapie ist sehr schwierig und nicht immer erfolgreich, nur im Frühstadium kann eine echte Heilung durch Entfernen der betroffenen Leberareale erreicht werden. Später vermag eine medikamentöse Behandlung nur noch das Larvenwachstum zu stoppen. Aus diesem Grund hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahre 1990 die alveoläre Echinokokkose als gefährlichste Parasitose Mitteleuropas eingestuft. Besonders gefährdete Gebiete sind die Nordschweiz und Baden-Württemberg (v.a Schwäbische Alb).Der ParasitDer Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis) gehört zum Stamm der Plattwürmer (Plathelminthes) und dort zur Klasse der Bandwürmer (Cestodes). Wie die anderen Bandwürmer auch, ist er ein im Darm des Wirtes lebender Endoparasit, der weder einen Mund noch einen Darm besitzt, sondern seine Nahrung über die Haut aufnimmt. Er besteht aus einem Kopf, mit dem er sich an der Darmwand des Fuchses festheftet, und einer Kette von vier bis fünf gleichartigen Gliedern (Proglottiden). Das jeweils letzte Glied wird, mit reifen Eiern beladen, abgeschnürt und zusammen mit dem Kot nach außen abgegeben. Fuchsbandwürmer sind nur 1,5—3cm lang. Ein einziger Fuchs kann bis zu 200 000 dieser Parasiten beherbergen, ohne sichtbar krank zu sein.VermehrungszyklusErwachsene Fuchsbandwürmer leben im Dünndarm des Fuchses, ihres Wirtes. Jeder von ihnen stößt alle zwei Wochen ein reifes Endglied mit 200 bis 300 Eiern ab. Dieses gelangt dann mit dem Kot ins Freie. Die Endglieder bewegen sich dort noch aktiv weiter. Dadurch und durch Fliegen, Schnecken, Wind etc. verteilen sich die Eier in der Umgebung. Die Eier des Fuchsbandwurmes sind außerordentlich robust. In feuchter Umgebung (Erdboden) können sie auch bei Temperaturschwankungen bis zu zwei Jahre überleben. Selbst Kälte bis unter —30º C schädigt sie nicht. Letztendlich gelangen sie über die Nahrung in den Darm von Mäusen (Zwischenwirt) und von dort aus über die Blutbahn in die Leber. Ebenda bilden sich aus ihnen die Finnen. Diese Gebilde wuchern wie ein Tumor in die Leber ein und bilden kleine Bläschen, sodass eine schwammartige Struktur entsteht. In den Bläschen entwickeln sich jeweils bis zu 1 000 Kopfanlagen des Bandwurms. Die Leber vergrößert sich bei diesem Prozess enorm: Eine gesunde Maus wiegt ca. 20 g, eine Maus mit Finne bis zu 40 g. Die befallenen Mäuse sind deswegen eine leichte Beute für den Fuchs. Im Fuchs entwickeln sich aus den Kopfanlagen innerhalb von ca. sechs Wochen neue Bandwürmer, und der Kreislauf ist geschlossen. Beachtenswert ist hierbei, dass der Wirt des Fuchsbandwurms kaum geschädigt wird, der Zwischenwirt aber zu Tode kommt. Wenn ein Mensch Fuchsbandwurmeier oral (über den Mund) aufnimmt, dann schlüpft er in die Rolle des Zwischenwirts.Hunde und Katzen als ÜberträgerWenn Hunde oder Katzen eine finnige Maus fressen, dann entwickelt sich in ihrem Darm genau wie beim Fuchs der Fuchsbandwurm. Sie scheiden daraufhin mit ihrem Kot Fuchsbandwurmeier aus und bilden eine enorme Ansteckungsgefahr für den Menschen.Ansteckungswege beim MenschenDer Mensch ist ganz sicher nicht von der Natur als Zwischenwirt des Fuchsbandwurms vorgesehen, eine Infektion ist aber trotzdem möglich. Neben den offensichtlichen Gefahren, die vom Verzehr von Wildbeeren, Pilzen, bodennahen Gartenfrüchten, Fallobst etc. ausgehen, kommt auch eine Ansteckung durch den Kontakt der Hände mit bandwurmtragenden Füchsen, Hunden oder Katzen infrage. Auch die Arbeit mit kontaminierter Erde oder Pflanzen erhöht das Risiko an alveolärer Echinokokkose zu erkranken, dies beweist eine Schweizer Studie, nach der Landwirte — nicht aber Jäger oder Förster — viermal häufiger erkranken als Städter. Dass aufgewirbelte Eier auch über die Lunge aufgenommen werden, ist denkbar, aber noch nicht endgültig bewiesen. Nicht jede Infektion führt allerdings zum Ausbruch der Krankheit; Serologische Studien haben gezeigt, dass nur etwa jede neunte Infektion mit Echinococcus multilocularis eine Echinokokkose zur Folge hat.Die alveoläre EchinokokkoseWenn der Mensch auf irgendeinem Weg Fuchsbandwurmeier peroral (über den Mund) aufnimmt, dann kann er zum nicht natürlichen Zwischenwirt (Fehlwirt) werden. Die Eier verwandeln sich im Verdauungstrakt zu Larven (Finnen), die sich bevorzugt in der Leber ansiedeln, aber auch die Lunge, die Milz, das Zentralnervensystem und die Knochen befallen. Die Bandwurmfinne wächst wie ein Schwamm in die Leber hinein und ähnelt mit diesem Verhalten einem bösartigen Tumor (der alte Name der Krankheit ist Kolloidkrebs der Leber). Dabei bilden sich allerdings keine oder nur sehr wenige Kopfanlagen, weil der Mensch kein geeigneter Wirt für die Finnen ist. Trotzdem wuchert das Keimepithel weiter.Diese Krankheit ist besonders heimtückisch, weil sie fünf bis fünfzehn Jahre lang keine Beschwerden verursacht, in dieser Zeit aber die Leber zum größten Teil zerstört. Erste Symptome sind Druckschmerzen im Oberbauchbereich.Mithilfe von Blutuntersuchungen (ELISA-Test) kann eine Infektion mit Echinococcus multilocularis zuverlässig erkannt werden. Da aber nur ca. jede neunte Infektion zur Erkrankung führt, sind weitere Untersuchungen nötig. Der Befall der Leber ist im Computertomogramm und im Sonogramm deutlich zu sehen, kann aber mit Leberkrebs verwechselt werden.Wenn die Krankheit frühzeitig erkannt wird, hilft das Entfernen der betroffenen Leberteile (Hemihepatektomie) und eine unterstützende Behandlung mit Mebendazol. Die Rückfallquote ist trotzdem recht hoch. In den späteren Stadien der Krankheit ist nur noch eine medikamentöse Behandlung mit Mebendazol möglich. Dieses Medikament heilt die Krankheit nicht, sondern stoppt nur das Larvenwachstum, sodass es lebenslang eingenommen werden muss. Die Sterblichkeitsrate nach 10 Jahren liegt unbehandelt bei über 90 % und mit Behandlung bei knapp unter 10 % der Patienten.Waldbeeren und Pilze sollte man auf gar keinen Fall roh essen. Abwaschen ist auch kein sicherer Schutz vor dem Fuchsbandwurm. Nur durch Hitze (70—100º C für mindestens 5 Minuten) werden die Bandwurmeier sicher abgetötet. Einfrieren hilft nicht, da die Eier Temperaturen unter —30º C überleben und erst bei einer Lagerung von mindestens drei Tagen bei —80º C absterben.Beim Sammeln von Waldfrüchten ist es ratsam, Einmalhandschuhe zu tragen und nach der Zubereitung die Hände gründlich zu waschen. Ein brauchbares Desinfektionsmittel für den Haushalt gibt es übrigens nicht, da die Eier gegen handelsübliche Desinfektionsmittel resistent sind und sogar 14 Tage in 40 %iger Formalinlösung unbeschadet überstehen.Die gleichen Vorsichtsmaßnahmen gelten auch für Obst und Gemüse, in deren Nähe sich Füchse aufhalten. Bei Jagdhunden und Katzen, die Mäuse fangen, besteht die reelle Gefahr, dass sie sich mit dem Fuchsbandwurm infizieren und später dessen Eier in der menschlichen Umgebung verbreiten. Die Tiere sollten deswegen regelmäßig mit einem Mittel, das gegen Echinokokken wirkt, wie beispielsweise Praziquantel, behandelt werden. Befallene Haustiere sind wegen des sehr hohen Infektionsrisikos einzuschläfern.Wer direkt mit Füchsen in Kontakt kommt, beispielsweise Jäger beim Abbalgen, sollte unbedingt Handschuhe und Mundschutz tragen. Eine wirkungsvolle Desinfektion ist nur durch Kalken oder durch eine mindestens 10 %ige Hypochloritlösung möglich.Verbreitung des FuchsbandwurmsDie Echinokokkose ist, trotz ihrer Gefährlichkeit und trotz mehrerer Vorstöße der Landesregierung von Baden-Württemberg, immer noch keine meldepflichtige Krankheit in Deutschland. Deswegen sind auch hier keine genauen Zahlen zu erhalten, im Gegensatz zur Schweiz, wo die Krankheit bereits seit 1988 meldepflichtig ist. Es gibt aber einige Daten über den Befall der Fuchspopulation mit der Krankheit. Generell kann man sagen, dass Baden-Württemberg ganz besonders betroffen ist und dass die Durchseuchung bundesweit zunimmt. In Nordrhein-Westfalen stieg die Befallsrate von 9 % der Füchse im Jahre 1989 auf 24 % im Jahre 1992, in Hessen von 5,4 % im Jahre 1987 auf 29 % im Jahre 1990 und in Baden-Württemberg von 14 % im Jahre 1984 auf 58 % im Jahre 1989. Im Gebiet von Tübingen sind derzeit ca. 70 % der Füchse befallen. In diesem Risikogebiet führten die Universitäten Stuttgart-Hohenheim und Ulm in dem Ort Römerstein 1997 eine gemeinsame Studie durch. 2 562 Einwohner des Ortes nahmen an einer freiwilligen Untersuchung teil. Ihnen wurde eine Blutprobe entnommen und auf Antikörper gegen Echinokokkus multilocularis untersucht (ELISA-Test). Parallel dazu wurde die Leber per Ultraschall auf einen Parasitenbefall überprüft. Bei 3 Einwohnern (ca. 0,1 % der gesamten Bevölkerung), die sich gesund fühlten, wurde eine alveoläre Echinokokkose entdeckt und bei mehr als 60 Einwohnern (> 2 % der gesamten Bevölkerung) zeigte sich eine Reaktion des Immunsystems auf den Erreger, ohne dass eine erkennbare Erkrankung vorlag. Dieses erschreckende Ergebnis ist von der Öffentlichkeit so gut wie nicht zur Kenntnis genommen worden. Immerhin ist jeder tausendste Einwohner dieses besonders gefährdeten Gebietes von einer meistens unheilbaren und häufig tödlich endenden, bösartigen Krankheit befallen.
Universal-Lexikon. 2012.